Zwei aktuelle Pressemitteilungen (PM) zeigen den (noch nicht befriedigenden) ökologischen Zustand europäischer Fließgewässer.


PM der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung vom 26.01.2024

Europas Gewässerqualität: Besser, aber nicht gut genug

Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Senckenberg-Wissenschaftler Dr. James Sinclair und Prof. Dr. Peter Haase hat Fließgewässer 23 europäischer Länder untersucht. Anhand wirbelloser Tiere von 1.365 Standorten zeigen sie erstmals in ihrer heute im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ erschienenen Studie die jährliche Veränderung der ökologischen Qualität der Flüsse seit den 1990er Jahren. Während diese insgesamt zugenommen hat, kam die positive Entwicklung um 2010 zum Erliegen. Die Forschenden warnen, dass der erforderliche „gute“ ökologische Zustand im Durchschnitt in den Fließgewässern nicht erreicht wurde.

Flussbegradigungen, eingeschleppte Tier- und Pflanzenarten, der globale Klimawandel und Verschmutzungen – der Mensch beeinflusst die Ökosysteme von Fließgewässern massiv. „Entsprechend haben derzeit rund 60 Prozent der Flüsse Europas keinen guten ökologischen Zustand. In Deutschland sind es sogar rund 90 Prozent. Die seit 2000 geltende EU-Wasserrahmenrichtlinie sollte hier Abhilfe schaffen, jedoch gab es bislang keine belastbaren Daten zum zeitlichen Verlauf von Änderungen in der ökologischen Qualität von Flüssen“, erklärt Prof. Dr. Peter Haase vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt.

Haase hat gemeinsam mit seinem Kollege Dr. James Sinclair und einem internationalen Forschungsteam die Daten wirbelloser, in Flüssen lebender Tiere von 1.365 Standorten in 23 europäischen Ländern ausgewertet, um die zeitlichen Trends anthropogener Einflüsse zu untersuchen. „Basierend auf diesem einmaligen Datensatz konnten wir die Veränderung der ökologischen Qualität in Flüssen seit Anfang der 1990er Jahre jährlich auflösen“, erläutert Sinclair. Haase ergänzt: „Um die menschengemachten Auswirkungen zu bewerten, haben wir zunächst – im Untersuchungszeitraum 1992 bis 2019 – geschaut, wie sich die Lebensgemeinschaften im Vergleich zu ihren Ausgangsbedingungen verändert haben. So können wir eine Bewertung langfristiger Trends zur ökologischen Qualität auf europäischer Ebene geben.“

Erstautor Sinclair führt weiter aus:

„Wir haben festgestellt, dass die ökologische Qualität von den 1990er Jahren bis 2010 generell zugenommen hat, ebenso die Anzahl empfindlicher Taxa, was auf geringere anthropogene Einflüsse hinweist – dieser positive Trend kommt aber um 2010 zum Erliegen. Auch der notwendige – in der EU-Wasserrahmenrichtlinie festgehalten – ‚gute‘ ökologische Zustand wurde im Durchschnitt noch nicht erreicht. Die bessere Wasserqualität ist wahrscheinlich auf europäische Maßnahmen zurückzuführen, die verstärkt ab den 1980er Jahren eingeführt wurden, wie beispielsweise eine verbesserte Abwasserbehandlung.“

Lies mehr (PM bei idw-online): https://idw-online.de/de/news827645

Originalpublikation: https://www.nature.com/articles/s41559-023-02305-4

Sinclair et. al. (2024): Multi-decadal improvements in the ecological quality of European rivers are not consistently reflected in biodiversity metrics.

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PM der Universität Duisburg-Essen vom 25.01.2024

Wie wirkt Landwirtschaft auf Gewässer? – Europaweite Studie

Die Landwirtschaft sichert unsere Ernährung und ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Sie hinterlässt aber auch Spuren in der Umwelt, z.B. in Böden, im Grundwasser oder in der Biodiversität. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Universität Duisburg-Essen hat untersucht, wie sich in Europa unterschiedliche landwirtschaftliche Nutzungsformen und Intensitäten auf den ökologischen Zustand von Fließgewässern auswirken. Die Studie wurde soeben in der Fachzeitschrift Water Research veröffentlicht.

Diese Zahlen lassen aufhorchen: Noch nicht einmal zehn Prozent der Fließgewässer in Deutschland befinden sich in einem guten, naturnahen Zustand; europaweit sind es nur an die 40 Prozent. Die Landwirtschaft als eine der größten Flächennutzerin gilt als mitverantwortlich für diese Situation. Zurecht?

Um dies zu beantworten, analysierte das Forschungsteam um UDE-Wissenschaftler Christian Schürings für 27 europäische Länder Daten zur landwirtschaftlichen Nutzung. Diese setzte es in Zusammenhang mit Daten zum ökologischen Zustand der dortigen Fließgewässer – darunter waren Bäche, aber auch große Flüsse wie Ruhr, Rhein oder Schelde.

Das Ergebnis: Die Art der Landwirtschaft ist mit entscheidend für den Zustand der Gewässer (siehe Abbildung [in Original-PM]).

„Am stärksten wirkt sich die Intensivlandwirtschaft aus“, sagt Schürings. Der Experte für Aquatische Ökologie ist Erstautor der Studie. „Dazu zählt der Bewässerungsfeldbau, wie er in Südeuropa beispielsweise in Spanien, Portugal und Italien betrieben wird, und der intensive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger auf Flächen in Westeuropa. Das ist vor allem in Frankreich, den Niederlanden, in Belgien, in Deutschland oder Großbritannien verbreitet.“

Durch die intensive Bewirtschaftung können Nitrate, Pflanzenschutzmittel und andere Stoffe in den Gewässern landen, Auen werden zu Ackerland umgewandelt, Flüsse begradigt oder in Südeuropa zur Bewässerung von Feldern genutzt. Das bedroht bzw. zerstört wichtigen Lebensraum für Pflanzen und Tiere.

Anders verhält es sich mit weniger intensiven Landwirtschaftsformen: Laut Studie wirken sie sich kaum bis gar nicht auf den ökologischen Zustand aus. Denn die Anbauflächen sind kleinteilig, Düngemittel und Pflanzenschutzmittel werden sparsamer eingesetzt, und es werden Hecken und Blühstreifen für mehr Biodiversität angelegt. „Unsere Ergebnisse unterstreichen“ so Schürings, „dass der Wandel hin zu nachhaltigeren Landwirtschaftsformen, wie dem ökologischen Landbau, gut für die Gewässer ist.“ Mitautor Dr. Sebastian Birk betont, dass „Gewässerschutz und Landwirtschaft Hand in Hand gehen können. Dies sollte die EU auch durch einen Umbau der Agrarförderung unterstützen, damit Umweltleistungen der Landwirtschaft stärker honoriert werden.“

Lies mehr (PM bei idw-online): https://idw-online.de/de/news827577

Originalpublikation: https://doi.org/10.1016/j.watres.2024.121136

Schürings et al. (2024): River ecological status is shaped by agricultural land use intensity across Europe. Water Research (251), 121136.